Vor allem darfst du nicht ängstlich sein

Ein viertel Jahr verbrachte Cornelia Rößler in einem Alten- und Pflegeheim. Sie lernte dort Leben und Geschichten der Bewohnerinnen und Bewohnern kennen und besuchte einzelne alte Menschen in Heimen und zu Hause.

Die alte Villa, in der die Ausstellung stattfand, erzählt ebenfalls eine Geschichte. Bewusst bezieht Cornelia Rößler die Wohn- und Gebrauchsspuren der Wände in den Räumen auf die jeweiligen Installationen. Beides, Raum und Installation, bildet eine Einheit.

FreiZeit, Videoinstallation 2009
FreiZeit, Videoinstallation 2009

Freizeit, 2009

Videoinstallation, 5 min im loop

 

Beim Betreten der alten Villa erkannte man am Ende eines langen Ganges eine Videoprojektion, deren sich karussellartig drehenden Bilder über das Format der Wand hinausgehen. Der Betrachter verfolgt eine Kamerafahrt durch die Gänge eines Altenheims, die alternierend von Fotografien von Senioren und Seniorinnen unterbrochen wird und die zu der teilweise verschwommen Kamerafahrt in scharfem Kontrast stehen.

 

Um in den nächsten Ausstellungsraum zu gelangen, musste der Betrachter durch die Projektion hindurchgehen und wurde so Teil der Installation.

Tischzeit, 2006

 

Im zweiten Raum, welcher Spuren einer ehemaligen Küche aufweist, steht ein alter, stark von Gebrauchsspuren gezeichneter Küchentisch. Anstelle der Tischplatte erkennt man eine vergrößerte Fotografie menschlicher Haut. Die von Altersflecken gezeichnete menschliche Haut und die Maserung des Holzes gehen organisch ineinander über. Aus der halb geöffneten Schublade des Tisches leuchtet dem Betrachter ein Ultraschallbild eines Embryos entgegen.

Gegenüber des Tisches und oberhalb einer alten Fliesenreihe zeigt ein Video scharfe Nahaufnahmen von Hautausschnitten. Jeder Hautausschnitt ist einer Bewohnerin des Altenheims zugeordnet. Die Identität der Hautausschnitte ist durch auf die Haut projizierte Sentenzen, welche die Träger der Haut in Interviews geäußert haben, gekennzeichnet. Durch die Überblendungen der verschiedenen Hautausschnitte entsteht ein Kreislauf einer sich fortwährend entindividualisierenden Individualisierung.

Man muss das Leben eben nehmen, wie das Leben eben ist, 2009

Video, 23 min im loop

 

Im dritten Raum zeigt Cornelia Rößler zwei Videoprojektionen, in denen im Wechsel Seniorinnen und Senioren über ihr Leben erzählen. Die Themen reichen von Geburt, Kindheit, Jugend, Partnerschaft und Kindern bis zu einem Fazit ihres Lebens. Manche sprechen bewegt und engagiert, während Andere eher nachdenklich und humorvoll oder aber auch verbittert oder enttäuscht ihr Leben bilanzieren.

Diese Erzählungen zeigen verblüffende Entsprechungen zur Haut der Personen. Auf der Haut spiegelt sich ihr Leben. Aus dem, was sich auf ihr abzeichnet, was sie auszeichnet und wie sie gezeichnet ist, klingt ihre Lebensmelodie.